Das Denken verändern

Design Thinking als erster Schritt?

von Nicole Dufft

Design Thinking hat sich in den letzten Jahren zum Megatrend entwickelt und gilt derzeit als einer DER Ansätze, um in multidisziplinären Teams schnell innovative Lösungen für komplexe Probleme zu entwickeln. In einer weltweiten Studie von Deloitte University Press sehen 79% der befragten HR-Manager Design Thinking als einen der 10 wichtigsten Trends im Personalbereich an. (1) Nicht nur Startups sondern auch immer mehr Großunternehmen wie etwa Tesla, IBM, SAP, oder die Deutsche Bank praktizieren die zuerst von David Kelley und Hasso Plattner entwickelte Methode.

 

Dabei ist Design Thinking kein wissenschaftlich-theoretisches Hexenwerk. Es gibt einen klar strukturierten Prozess mit definierten Regeln und die Methode ist im Grunde relativ einfach zu erlernen und anzuwenden. Doch das allein erklärt nicht die Verbreitung und den Erfolg des Ansatzes. Woher kommt die Beliebtheit von Design Thinking also? Warum kommen Teilnehmer regelmäßig mit glänzenden Augen, hochmotiviert, begeistert und in großer Verbundenheit mit den anderen Teilnehmern und der gemeinsam entwickelten Idee aus Design-Thinking-Workshops?

»Design Thinking hilft, andere Verhaltensweisen und Denkansätze zu erproben und macht die Effekte unmittelbar erfahrbar.«

Meine Einschätzung: Im Design-Thinking-Prozess wird sehr direkt sichtbar und erlebbar, wie sich neue Verhaltensweisen und veränderte Denkansätze auf ein Team und die Qualität des gemeinsam erarbeiteten Ergebnisses auswirken. Design Thinking hilft, andere Verhaltensweisen und Denkansätze zu erproben und macht die Effekte unmittelbar erfahrbar.

 

Denn wir alle erleben im aktuellen Umfeld exponentieller Veränderungen und zunehmender Komplexität, dass unsere bisherigen Denkmodelle an ihre Grenzen stoßen: Unser Glaube an Planbarkeit und Vorhersehbarkeit gerät ins Wanken; wir stellen fest, dass wir mit hierarchisch-strukturierten Herangehensweisen nicht die richtigen Antworten auf komplexe Probleme finden; dass der stetige Versuch der Fehlervermeidung sowie ein rein rational-systematisches Vorgehen nicht die erwünschten Ergebnisse - und schon lange keine innovativen Lösungen - hervorbringen.

 

Gleiches gilt für zwischenmenschliches Verhalten im geschäftlichen Kontext: Viele Meetings oder Projektbesprechungen verlaufen wenig inspirierend und bringen keine wirklich neuen oder greifbaren Resultate. Die lauteste Stimme (die des 'ausgewiesenen Experten‘ oder des ranghöchsten Teilnehmers) erhält das größte Gewicht, irgendwie kommen keine richtig guten Ideen zustande, und wenn doch, werden diese schnell wieder verworfen und als nicht realisierbar abgestempelt ("dazu haben wir die Kompetenzen nicht, das macht der Wettbewerb schon, das hat noch nie funktioniert“). Resigniert stellen wir fest: "Unsere immer gleichen Denkmuster führen zu immer gleichen Lösungen". (2)

»Unsere immer gleichen Denkmuster führen zu immer gleichen Lösungen.«

Design Thinking ist erfrischend anders. Nicht (oder nicht nur) weil wir mit bunten Postits, Stiften, Knete und Bastelmaterialien in die Workshops gehen. Sondern weil Design Thinking - richtig durchgeführt! - uns anregt, unser Mindset bzw. unsere Geisteshaltung zu verändern. Und Design Thinking schafft – wiederum: richtig umgesetzt! - die notwendigen Bedingungen für ein Team, um gemeinsam mit Begeisterung gute Ergebnisse zu erarbeiten. 

Und diese Bedingungen haben per se erst einmal nichts mit Design Thinking zu tun. Sie sind die Grundlage für eine neue Qualität der Beziehung zwischen Mitgliedern eines Teams und die Art wie sie zusammenarbeiten. Design Thinking nutzt diese Bedingungen und macht sie sichtbar. Dazu zählen:

 

Alle beschriebenen Elemente sind zentrale Voraussetzungen für eine motivierte, kreative und erfolgreiche Team-Zusammenarbeit - egal in welchem Zusammenhang. Der Erfolg von Design Thinking liegt meiner Einschätzung nach also darin begründet, dass die Methode die notwendigen Voraussetzungen für eine neue Qualität der Beziehungen zwischen Team-Mitgliedern und für die Freisetzung von Kreativität schafft.

 

Design-Thinking-Initiativen, die diese Bedingungen nicht erzeugen, sondern lediglich den Prozess basierend auf alten Denkmustern durchexerzieren, werden schnell ins Leere laufen. Ebenso haben Unternehmen und Individuen, die nach einem Design-Thinking-Projekt wieder zu altbewährten Denk- und Verhaltensmustern zurückkehren, wenig gewonnen. 

 

Gut umgesetzte Design Thinking Projekte und Programme sollten dazu inspirieren, das Denken zu verändern. Sie sollten dazu anregen, auch in größeren Kontexten, beispielsweise in der Strategie- und Personalentwicklung oder bei der Veränderung von Organisations- und Führungsstrukturen, die oben beschriebenen Voraussetzungen für eine neue Qualität der Zusammenarbeit zu schaffen. Design Thinking kann dazu ein erster Schritt sein. 

(1) Deloitte University Press (2016): „Global Human Capital Trends 2016“

(2) Torsten Breden (2017): „Resonanzfähigkeit als Grundlage einer neuen Führungspraxis“

(3) Otto Scharmer (2016): „Theory U: Leading from the future as it emerges“

(4) Jürgen Erbeldinger (2013): „Durch die Decke denken: Design Thinking in der Praxis“

(5) Siehe hierzu den Ted-Talk von Tim Brown „Tales of Creativity and Play“).

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